Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Habilitation

Die Freunde des Augustus

Untersuchungen zu den interpersonalen Beziehungen zwischen dem ersten Princeps und seinen engsten Vertrauten

Freundschaft ist zwar eine grundlegende menschliche Sozial- und Beziehungsform, doch im historischen und interkulturellen Vergleich unterscheidet sie sich erheblich, und zwar hinsichtlich ihrer sozialen Funktionen als auch in ihren jeweiligen kulturellen Ausprägungen. Und gerade die Schwierigkeit, dieses einerseits universelle, andererseits aber ganz individuelle und spezifisch kulturell geprägte Phänomen zu bestimmen oder gar zu definieren, hat dafür gesorgt, dass sich sowohl die Soziologie, die Sozialwissenschaften und die Anthropologie als auch die Geschichtswissenschaften lange Zeit kaum mit Freundschaft als Forschungsgegenstand befasst haben. Vor allem die althistorische Forschung nimmt sich dieses Forschungsfeldes erst seit einigen Jahren an. Freundschaft wird dabei aber meist auf ihre sachlich-instrumentelle, zweckrationale Dimension reduziert, d.h. auf ihre politische und ökonomische Funktion. Einige leugnen sogar, dass die antiken griechischen Begriffe für Freund (philos) und Freundschaft (philia) und lateinische Termini wie amicus oder amicitia auch persönliche Nähe und Zuneigung umfasst haben und Freundschaft im modernen Sinne, d.h. eine auf Zuneigung und Vertrauen beruhende interpersonale Beziehung, in der Antike überhaupt existierte.

An eben diesem Punkt möchte mein Habilitationsprojekt ansetzen und am Beispiel des Freundeskreises des Octavian/Augustus den Nachweis erbringen, dass Freundschaft auch als egalitäre, zweckfreie und am Wohlergehen des Freundes ausgerichtete Nahbeziehung verstanden werden konnte. Denn zum einen ist es ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen in der Geschichte, dass vor allem in Zeiten existenzieller Verunsicherung und sich auflösender gesellschaftlicher „Strukturen“ Freundschaft (in unserem Sinne) einen großen Bedeutungszuwachs erfährt und die Funktion erfüllt, einzelne Gesellschaftsmitglieder zu stabilisieren. Somit sind die späte Republik und die frühe Kaiserzeit (1. Jh. v. Chr.–1. Jh. n. Chr.) als Untersuchungszeitraum dafür besonders geeignet, da mögliche Entwicklungen im Bereich interpersonaler Beziehungen durch die politischen und sozialen Veränderungen überhaupt oder zumindest deutlicher zu Tage treten sollten.

Zum anderen lässt gerade eine Fokussierung auf die Freunde des Octavian/Augustus vielversprechende Ergebnisse erwarten, und zwar nicht nur aufgrund der verhältnismäßig guten Quellenbasis. Kaiserzeitliche Autoren wie Sueton heben hervor, dass Augustus – im Gegensatz zu anderen – ein besonders enges und treues Verhältnis zu seinen Freunden pflegte. Dies scheint jedoch keineswegs nur der kaiserzeitlichen Perspektive geschuldet zu sein. Der erste Princeps unterschied sich in seinen Freundschaften offenbar grundlegend von vielen seiner Zeitgenossen. Caesar oder Marcus Antonius legten in ihren sozialen Beziehungen zu ihren Anhängern und Freunden im Hinblick auf Loyalität und Treue ein grundlegend verschiedenes Verhalten an den Tag. Das kann schwerlich allein dem Zufall geschuldet sein, sondern möglicherwiese ein Hinweis auf seine Einstellung zu solchen Beziehungen sein.

Da soziale Bindungen, vor allem solche freundschaftlicher Art, die Grundstruktur einer jeden Gesellschaft bilden und im Rom der späten Republik und frühen Kaiserzeit signifikante Veränderungen im Bereich freundschaftlicher Bindungen bzw. in ihrer Intensität zu beobachten sind, ist nach den Gründen für diese Entwicklung zu fragen und diese in den historischen Kontext einzubetten. Dadurch soll die Arbeit einen grundlegenden Beitrag zur Sozial- und Kulturgeschichte einer paradigmatischen Umbruchszeit bieten. Gleichzeitig soll der Versuch unternommen werden, die von Augustus etablierte Herrschaft nicht nur über die von ihm auf politischer Ebene durchgeführten Veränderungen zu verstehen. So soll die Arbeit auch für die Frage nach dem Wesen und Werden des Prinzipats sowie nach den Anfängen des kaiserlichen Hofes einen wichtigen Beitrag leisten.

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