Jan Lukas Horneff
Vita
Jan Lukas Horneff studierte Geschichte, Alte Geschichte, Latein und Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach seinem Masterabschluss Im Juli 2017 mit Schwerpunkt Wissenschaftsgeschichte erhielt er das Humboldt Research Track Scholarship, gefördert aus Mitteln der Humboldt-Universität zu Berlin im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern. Von Oktober 2017 bis Juli 2022 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im von Prof. Dr. Martin Jehne geleiteten Teilprojekt A des SFB 1285 an der TU Dresden zum Thema „Invektivität im römischen Gerichtswesen“.
Seit Juli 2022 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Alte Geschichte der MLU Halle.
Dissertationsprojekt
Die geplante Dissertation untersucht das Invektivgeschehen im römischen Gerichtswesen. Quellen, die einen Einblick in diese Arena ritualisierter Kommunikation liefern können, sind zwar sehr vielfältig (Gerichtsreden, rhetorische und forensische Lehrliteratur, historische Darstellungen, philosophische Reflexionen und Korrespondenzen), beschränken sich aber meist auf inneraristokratische Vorgänge. Deshalb liegt der Fokus auf den für die römische Elite relevanten gesellschaftlichen Feldern und den jeweils zentralen Forschungsdiskursen:
- Inneraristokratische Konkurrenz/Konflikte/Eskalation
- Theorie invektiver Kommunikation
- Gender- und Rollenkonstruktionen
- Soziale Distinktion/Humor und urbanitas
- Performativität (emotionale Performanz/Theatralik und Publikumsexposition)
- Frameanalyse/Forensische Rhetoriktheorie und Persuasionsmittel
Bei der Analyse werden zwei gesellschaftliche Funktionen des Gerichtswesens differenziert. Bei Auseinandersetzungen zwischen aristokratischen Gruppen und Individuen dient das Gerichtswesen der Konfliktlösung ohne (illegitime) Gewaltanwendung. Invektiven können dazu beitragen, den Ausschluss von Mitgliedern der römischen Elite verbal vorzubereiten. Im Extremfall erzeugen sie einen Gesichtsverlust (character assassination), der den Ausgang des Verfahrens massiv beeinflussen kann. Dafür konfrontiert der Invektierer seine Gegner mit diversen Vorwürfen (Körper- und Charakterschwächen/sexuelles und gesellschaftliches Fehlverhalten/Nichterfüllung aristokratischer Rollenerwartungen), die dazu dienen, diese aus dem Kreis der Honoratioren auszuschließen, Weil die römischen Wertmaßstäbe in einem außerordentlich hohen Grade mit der Vorstellung von Männlichkeit verknüpft sind, war die Unterstellung eines Mangels an Männlichkeit (Effeminierung) Fundament und Ziel fast aller Invektiven. Wenn Cicero z.B. Pisos (angeblich) ausschweifendes Genuss- und Konsumverhalten angreift, spricht er ihm gleichzeitig die nach römischer Männlichkeitsvorstellung grundlegende Fähigkeit zur Selbstbeherrschung ab.
Die zweite gesellschaftliche Funktion des Gerichtswesens war es, eine Arena für rhetorische Konkurrenz zu bieten. Junge und aufstrebende Aristokraten konnten öffentlichkeitswirksam ihr rednerisches Talent, ihr Wissen und vor allem ihren Humor unter Beweis stellen (urbanitas) und sich so für höhere politische Ämter empfehlen. Aus dieser Perspektive tritt der Invektierte als Ziel der Invektive in den Hintergrund und der Invektierende konkurriert mit anderen Rednern um die Gunst des Publikums. Diese Sekundärfunktion erklärt die herausragende Bedeutung von Humor und Unterhaltung beim Invektivgeschehen. Römische Gerichtsredner legten großen Wert darauf, die gegen ihre Gegner vorgebrachten Schmähungen möglichst kreativ und publikumswirksam zu gestalten. Sie bedienten sich dabei der reichen Schmähtopiken des griechisch-römischen Kulturraums, kleideten diese jedoch in ein komplexes und oft neuartiges Narrativ. Insbesondere dann, wenn normabweichendes Verhalten eines Invektierten nicht evident oder sogar eine tendenziell positive fama vorhanden war, ist ein besonders intensives framing beobachtbar.
Veröffentlichungen
No decorum in the forum? Comic Invective in the Theatre of Justice, in: Sophia Papaioannou/Andreas Serafim (Hg.), Comic invective in ancient Greek and Roman oratory (Trends in Classics: Supplementary volume), Berlin/Boston 2021, 211-232.
Rez. Karataş, Sema: Zwischen Bitten und Bestechen. Ambitus in der politischen Kultur der römischen Republik – der Fall des Cn. Plancius. Stuttgart 2019, in: H-Soz-Kult, 12.07.2021, http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-93522.
How to treat cunnilingus – Framing in Apuleius' Apologia, in: Journal of Ancient Civilizations 2022 (im Druck).